Heldenklingen by Joe Abercrombie
Autor:Joe Abercrombie
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-07-19T22:00:00+00:00
ENTSCHEIDENDE ZÜGE
Der Lärm bei diesem Kampf traf sie besonders unerwartet. Es war vermutlich lauter als alles andere, was Finree je vernommen hatte. Ein paar Dutzend Männer brüllten und kreischten, zwar völlig heiser, aber dennoch aus vollem Hals, Holz splitterte, Stiefel trampelten über den Boden, Metall schlug krachend aufeinander, und all dieser Krach wurde durch den engen Raum verstärkt und zur Bedeutungslosigkeit entfremdet. Schmerz, Wut, Gewalt hallten sinnlos von den Wänden wider. So musste es in der Hölle klingen. Befehle hätte hier niemand hören können, aber das spielte ohnehin keine Rolle. Befehle hätten nun auch nichts mehr geändert.
Die Läden eines weiteren Fensters wurden aufgebrochen, und der goldgetünchte Schrank, den man davorgeschoben hatte, begrub einen unglücklichen Leutnant unter sich und spuckte eine Lawine aus zersplitterndem Porzellan über den Boden. Männer drangen durch das helle Viereck ein, schwarze, zerzauste Umrisse zunächst, die an schrecklichem Detail gewannen, als sie ins Innere des Gasthofs drängten. Verzerrte Gesichter, beschmiert mit Farbe, Dreck und Wut. In ihrem wilden, verfilzten Haar steckten Knochen, grob geschnitzte Holzringe und grob geschmiedetes Metall. Sie schwangen Äxte mit gezackten Klingen und Keulen, die mit Spitzen aus mattem Metall beschlagen waren. Wirres Geschrei drang heulend und gurgelnd aus ihren Kehlen, und ihre Augen quollen ihnen vor irrer Kampfeslust aus den Höhlen.
Aliz schrie wieder laut, aber Finree war innerlich seltsam kühl. Vielleicht hatte sie bei diesem ersten Mal, dass sie ihre Tapferkeit unter Beweis stellen musste, eine Art Anfängerglück? Oder vielleicht hatte sie einfach noch nicht richtig begriffen, wie schlimm die Lage war. Denn die war sehr, sehr schlecht. Ihre Augen glitten hektisch durch den ganzen Raum, um sich einen Überblick zu verschaffen, und sie wagte es nicht einmal zu blinzeln, damit sie auch nichts übersah.
In der Mitte des Saales kämpfte ein alter Korporal mit einem grauhaarigen Wilden. Sie hatten gegenseitig ihre Handgelenke gepackt, so dass die Waffen mal links, mal rechts in Richtung Decke zuckten, als vollführten beide einen trunkenen Tanz, bei dem nicht ganz klar war, wer eigentlich führte. Daneben schlug einer der Musiker mit seinem zerstörten Instrument um sich, bis die Geige nur noch ein Haufen Trümmer aus Holz und Saiten war. Draußen auf dem Hof erzitterten die Tore, und Splitter flogen von den Innenseiten, während die Wächter verzweifelt versuchten, sie mit ihren Hellebarden zuzudrücken.
Finree erkannte überrascht, wie gern sie jetzt Bremer dan Gorst an ihrer Seite gehabt hätte. Dabei hätte sie sich wohl eher Hal wünschen sollen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Mut, Pflichtbewusstsein und Ehre in dieser Lage wenig nützen würden. Hier waren brutale Kraft und wilde Wut gefordert.
Sie sah einen rundlichen Hauptmann, angeblich der uneheliche Sohn irgendeines wichtigen Würdenträgers, dem ein Kratzer quer über sein Gesicht lief und der nach einem Mann stach, der eine Kette aus Knochen trug; beide waren rotverschmiert. Sie sah einen netten Major, der ihr früher, als sie noch ein kleines Mädchen war, immer schlechte Witze erzählt hatte, und der nun einen harten Schlag auf den Hinterkopf bekam. Er stolperte zur Seite, die Beine bogen sich nach außen wie bei einem Possenreißer, und mit einer Hand griff er nach der leeren Scheide.
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